Wann schafft Europa den Bezahl-(w)Irrsinn an öffentlichen Ladestationen ab?
Bezahlen via kryptischer SMS, Freischaltung per Anruf, Aktivierung über eine RFID-Karte oder -Chip, starten des Ladevorgangs mit einer Handy-App oder scannen von QR-Codes, die an den Ladestationen angebracht sind. Ach, nicht zu vergessen sind die Ladestationen, an denen man tatsächlich mit Bargeld oder Girokarte bezahlen kann und konnte. Und ganz neu ist nun das Freischalten und Bezahlen mit NFC-fähigen Girokarten bzw. virtuellen Kreditkarten und dem Smartphone. Der Vielfalt scheinen keinen Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, dem Kunden immer neue Mittel und Wege an die Hand zu geben, um einen simplen Ladevorgang, dazu am besten noch tief in der Nacht, bei Dunkelheit, Kälte und Regen, in Gang zu setzen. Man stelle sich mal vor, wir müssten in jedem Supermarkt vor dem Einkauf darauf achten, ob und wie man dann an der Kasse bezahlen muss. Ein Unding, das würde niemand akzeptieren. Und viel zu lange haben wir, die Nutzer*innen von Elektrofahrzeugen, dies murrend und unwillig akzeptiert - doch Hand aufs Herz: So geht das nicht weiter! Es ist an der Zeit, das Bezahlen von Ladevorgängen an öffentlichen Ladestationen so einfach wie möglich zu machen und vor allem bundesweit, am besten europaweit, zu vereinheitlichen. Jede*r Nutzer*in muss ohne vorheriges Studium einer Anleitung an der Ladestation oder in einer App wissen, was und wie man bezahlt. Nicht mehr, nicht weniger sollten und dürfen wir akzeptieren.
Welche Möglichkeiten bieten sich dazu nun an? Schaut man sich jede einzelne Variante an, so erkennt man deren spezifische Vor- und Nachteile. So macht die klassische Ladekarte, die man vor eine Leseeinheit an der Ladestation hält, unabhängig vom Smartphone, einem nicht vorhandenen Netz oder dem leeren Akku. Keine Frage. Doch damit lässt sich eben ein wichtiges Problem nicht lösen: die Preisangabe. Denn jeder Kunde hat das Recht, vor dem Ladevorgang über den aktuellen Preis pro geladener Kilowattstunde informiert werden. Da die Pauschalpreise pro Ladevorgang (sog. Session-Fees) nicht mehr gestattet sind (bzw. nur noch in Einzelfällen) und sich die Preise an den Ladestationen durchaus unterscheiden können, muss der Kunde über den lokalen Preis informiert werden - und das geht eben nicht über eine Ladekarte, zumal nicht jede Ladestation über ein geeignetes Display verfügt. Aus diesem Grund hat sich auch E.ON Drive dazu entschieden, keine Ladevorgänge mehr per RFID-Karte zu ermöglichen. App jetzt nur noch per App
Auch die Anzeige per Preistafel, wie an einer herkömmlichen Tankstelle, ist nicht ohne Weiteres möglich, da man an öffentlichen Ladestationen unterschiedliche Fahrtstromanbieter nutzen kann, die eben unterschiedliche Preise verlangen. Es ließe sich nur ein Preis an der Ladestation per Preisaushang anzeigen, nämlich den Preis pro Kilowattstunde für das sog. adhoc-Laden, also das Laden zum Standardpreis vor Ort, den man spontan ohne jeden anderen Vertrag nutzen kann. Dieser ließe sich auszeichnen, z.B. mit einem Aufdruck, einem Aufkleber oder einer Art Preistafel - ggf. auch im Display und auch dann, wenn die Online-Verbindung der Ladestation gestört sein sollte, was in Deutschland ja leider nicht so ganz ausgeschlossen ist...
Für das Bezahlen bleiben dann folgende Optionen, die man sicher vereinheitlichen könnte:
1. Das adhoc-Laden erfolgt über eine Aktivierung an der Ladestation via QR-Code oder NFC-Giroverfahren. Die Verbreitung von Smartphones, mit denen ein QR-Code gelesen werden kann, und mit NFC-fähigen Girokarten bzw. -Smartphones ist inzwischen sehr groß, so dass kaum ein Kunde eine dieser Varianten nicht nutzen könnte. Ohne diese kann man auch an einer herkömmlichen Tankstelle nur noch mit Bargeld bezahlen und auch dies wird mittelfristig aussterben. Schon heute ermuntern mehr und mehr Supermarkt-Ketten ihr Kunden, diese kontaktlosen Bezahlvarianten zu nutzen und sie sind sehr erfolgreich damit. Was in anderen Ländern längst Gang und Gebe ist, wird auch in Deutschland, nicht nur durch die Corona-Pandemie (aber sicher auch dadurch), zur Normalität. Hurra, Deutschland wird digital.
2. Für das Bezahlen und Freischalten eines Ladevorgangs über einen speziellen Fahrstromvertrag, z.B. E.ON Drive, wird eine Smartphone-App genutzt, die vor dem Ladevorgang den aktuellen Preis anzeigt, der vom Kunden dann aktiv bestätigt werden muss. Dies ließe sich in einer App sehr einfach und übersichtlich umsetzen, der Preisangabenverordnung wäre weitgehend entsprochen und Ladevorgänge wären in der App noch später in einer Übersicht einzusehen und nachzuvollziehen. Auch Smartphones sind inzwischen sehr weit verbreitet. Ob man für Kunden, die kein Smartphone besitzen oder besitzen möchten, dann ausnahmsweise noch eine RFID-Ladekarte optional gibt, bleibt zu überdenken. Offen gesagt, halte ich nichts von solchen Ausnahmen, diese bremsen nur wieder die Vereinheitlichung.
3. Als aber sicherlich bequemste Variante wird zudem noch das Pay-per-Charge eingeführt, bei dem die Abrechnung, wie bereits bei Tesla seit Jahren erfolgreich implementiert, über das Auto erfolgt. Beim Verbinden des Fahrzeugs mit der Ladestation erfolgt eine automatische Authentifizierung und die Ladekosten werden über die im Fahrzeug hinterlegten Bezahloptionen abgerechnet. Im Display des Fahrzeugs werden vorab alle Preisangaben angezeigt und auch während des Ladevorgangs sind bzw. wäre der aktuelle Ladepreis laufend angezeigt. Super bequem und ganz sicher die beste Option.
Auch wenn es für die genannten Bezahloptionen weitere Pro- und Contra-Argumente gibt, so sollte klar sein, dass es kein weiteres Durcheinander an den Ladestationen mehr geben darf. Es bedarf vielmehr eines sehr schnellen Vereinheitlichung, denn die Elektromobilität steht kurz vor oder bereits mitten im Durchbruch in den Massenmarkt. Kunden wollen sich keine Gedanken um das Bezahlen machen, wollen kein "hier so und dort so". Es ist an der Zeit, für Klarheit zu sorgen und das elektrische Fahren so einfach zu gestalten, wie möglich.