Ressourcen schonen – auf die richtige (Batterie-)Größe kommt es an

25.01.2021

#nutzermeinung

Reichweite, Reichweite, Reichweite. Es scheint bei Elektroautos keinen wichtigeren Wert zu geben. Auch der anhaltende Trend zu immer größeren, schweren und leistungsstärkeren PKW – allen voran SUV – überträgt die Industrie eins zu eins auf Elektrofahrzeuge. Dabei überbieten sich die Anbieter mit immer größeren Akkus, größeren Reichweiten und immer höheren Leistungsdaten in Sachen Beschleunigung und Geschwindigkeit. 500, 600 und bald 800 km Reichweite sind möglich und bereits angekündigt. Nach oben scheint es kein Limit zu geben, doch nachhaltig ist dieser Trend nicht.


Fatale Fehlentwicklung

Schließlich sind Elektrofahrzeuge auf Rohstoffe für die Herstellung angewiesen, um die oft heftig gestritten und diskutiert wird: Kobalt, Nickel, Lithium, Kupfer. Zwar werden diese Rohstoffe seit Jahrzehnten abgebaut und in sehr vielen Produkten unseres täglichen Lebens eingesetzt, bislang hat sich nur niemand darum gekümmert. Gut, dass diese Themen nun in den Fokus gelangen und vermehrt Anstrengungen für faire und sichere Arbeitsbedingungen unternommen werden. Zahlreiche Fahrzeughersteller sind hier aktiv und erfolgreich. 

Auch sind bereits klare Ziele für den Einsatz von Recyclingmaterial festgesetzt. Es tut sich viel. Dennoch: Der Bedarf an Rohstoffen und Energie zur Produktion bleibt. Und je größer eine Batterie ist (70, 80 und mehr Kilowattstunden Kapazität), desto größer ist der Bedarf an Rohstoffen und Energie bei der Verarbeitung. Etliche Produzenten verzichten komplett oder reduzieren ihren Bedarf an Kobalt. Vermehrt kommt Energie aus erneuerbaren Quellen bei der Produktion zum Einsatz. Und auch die Wege zwischen Batterie- und Autofabrik werden verkürzt.


Die richtige Batterie-Kapazität

Diese Fortschritte sollten nicht als Anlass genommen werden, quasi blind zum Auto mit dem größten Akku und der höchsten Leistung zu greifen – hier droht der Rebound-Effekt. Inzwischen haben stromsparende LED-Leuchtmittel die alten Glühlampen und Energiesparlampen weitgehend verdrängt. Doch viele Verbraucher setzen nun mehr Leuchtmittel ein oder lassen diese unbedacht leuchten – weil sie so sparsam sind. Im Endeffekt wird mehr Strom verbraucht als vorher. So ist der Strombedarf der reinen Weihnachtsbeleuchtung erneut um vier Prozent gestiegen – trotz LED-Technik. Bei Autos droht Ähnliches. Mit dem „sauberen“ Elektroauto zum Bäcker um die Ecke?

Grund genug, die erste Kaufentscheidung kritisch zu überdenken. Muss es wirklich die Modellversion mit dem größten Akku sein, die mit der höchsten Reichweite oder der besten Beschleunigung? Fragen Sie sich doch in aller Ruhe, wie oft Sie weite Strecken zurücklegen und ob es dabei wirklich auf jede Minute ankommt. Tun Sie dies nie oder selten besteht die Gefahr, einen großen, schweren Akku mehr oder weniger umsonst durch die Gegend zu fahren – doch der Umwelt und dem Klima bringt das keinen Vorteil. Eine Ladepause mehr auf Reisen macht die Fahrt nicht weniger schön, entspannt und erhöht zudem die Sicherheit. 


Die "Right-Size-Battery"

Hersteller wie Mazda und Sono Motors folgen dieser Überlegung. Mehr ist nicht immer mehr und unter dem Begriff „Right-Size-Battery“ stattet der japanische Hersteller sein erstes Modell, den MX-30, mit einer vergleichsweise kleinen Batterie aus. Sie bietet nur rund 200 bis 250 km Reichweite. Auch das junge deutsche Unternehmen Sono Motors wird in den Sion, einen elektrischen Familien-Van mit integrierten Solarzellen, eine ähnlich große, nein ..., eine ähnliche kleine Batterie einbauen. Diese ist ebenfalls ausreichend für 200 bis 250km an einem Stück. Beide Unternehmen begründen dies mit erheblichen Einsparungen an Rohstoffen und Energie in der Produktion – und beide engagieren sich zusätzlich für fairen Rohstoffabbau und effiziente Herstellung aller Komponenten auf Basis erneuerbarer Energien. Zudem steigert der kleine Akku den Fahrspaß (durch das geringere Gewicht), erleichtert das spätere Recycling und senkt die Gesamtkosten für das Fahrzeug.



Abb: Start-up Projekt Sion von Sono Motors mit integrierten Solarzellen in der Karosserie (Foto: Sono)


Was will – was braucht der Verbraucher?

Der immerwährende Kampf zwischen Kopf und Bauch. Im Handelsblatt erschien die obige Grafik und beim Betrachten wird schnell klar, dass mehr als 90 Prozent (!) aller Fahrten unter 100 km sind. Mit den „kleinen“ Akkus könnten diese also rund zweimal gefahren werden – ohne eine Minute nachzuladen. Und mehr als 50 Prozent aller Fahrten sind sogar kürzer als 25 km. Doch 30 Prozent der Verbraucher*innen fühlen sich offenbar nur wohl in einem Elektroauto mit einer Reichweite von über 500 km und entsprechend großem Akku.

Es liegt also an uns – nicht einfach spontan dem ersten Impuls nachzugeben, sondern die Kaufentscheidung gut zu überlegen. Mit der Entscheidung für ein Elektrofahrzeug leisten Sie einen Beitrag zum Klimaschutz. Wie groß dieser Beitrag ist, liegt in unseren Händen. Vielleicht ist weniger doch mehr?



Dieser Blogartikel spiegelt die Meinung eines unabhängigen Community-Mitglieds wieder. Er beinhaltet keine offizielle E.ON Position oder Meinung.

5 Kommentare
2021-01-26T14:43:04Z
Dienstag, 26.01.2021 um 15:43 Uhr
Wieder ein sehr interessanter Beitrag. Dafür erst einmal vielen Dank. Die Rechnung ist ja ganz klar:je größer der Akku, desto größer der CO₂-Fußabdruck und jehöher auch der Energieverbrauch beim Fahren. Da ich aber generell das Gefühl hab, dass Menschen inzwischen immer das vermeintlich beste Produkt haben wollen – also in diesem Fall das Auto mit der größten Reichweite – bin ich skeptisch, ob wir uns da wirklich drauf verlassen sollten, dass Verbraucher vernünftig handeln. Aber ist vielleicht auch meinem eher fatalistischen Weltanschauung geschuldet.
2021-01-26T14:51:18Z
Dienstag, 26.01.2021 um 15:51 Uhr
Chris Sieber:
Wieder ein sehr interessanter Beitrag. Dafür erst einmal vielen Dank. Die Rechnung ist ja ganz klar:je größer der Akku, desto größer der CO₂-Fußabdruck und jehöher auch der Energieverbrauch beim Fahren. Da ich aber generell das Gefühl hab, dass Menschen inzwischen immer das vermeintlich beste Produkt haben wollen – also in diesem Fall das Auto mit der größten Reichweite – bin ich skeptisch, ob wir uns da wirklich drauf verlassen sollten, dass Verbraucher vernünftig handeln. Aber ist vielleicht auch meinem eher fatalistischen Weltanschauung geschuldet.

Hi Chris, danke für dein Feedback zu meinem Beitrag. Sicher liegt das auch daran, wie wir geprägt sind. Höher, schneller, weiter, no limits. Ein Auto muss halt alles können, am besten auch unter Wasser und in der Luft fahren können. Darunter geht nichts. Mein Beitrag soll vor allem zum Nachdenken anregen.

Klar ist aber auch, dass aktuell die Hersteller alles daran setzen, dass das Elektroauto in jeder Hinsicht mit einem Verbrenner vergleichbar ist - ob man das alles braucht oder nicht, spielt kaum eine Rolle. Dies soll natürlich auch die "Tür öffnen" für das Elektroauto. Auf Dauer kommen wir vlt. ein wenig wieder auf den Boden zurück und finden vlt. auch mehr und Gefallen daran, für bestimmte Zwecke auch mal ein Auto zu leihen, z.B. für den Urlaub. Dann kann nämlich das Auto für den Alltag problemlos etwas kleiner ausfallen.
2021-01-26T15:51:54Z
Dienstag, 26.01.2021 um 16:51 Uhr
Die Statistik ist witzig vom Handelsblatt ist witzig. Wie viel Reichweite wollen se? So viel wie möglich, am liebsten über 500 km! Und wie weit fahren se so am Tag so? Puhh.. zur Arbeit und zurück.. maximal 24km am Tag. Oh man. 



2021-02-25T16:18:58Z
Donnerstag, 25.02.2021 um 17:18 Uhr
Gut - wenn man das E-Auto nur als Zweitwagen für Kurzstrecken zur Arbeit oder Einkauf nutzt gehen 200km Reichweite in Ordnung. Für weitere Fahrten kann dann ja noch der Verbrenner genutzt werden. Hat man allerdings nur 1 E-Auto und muss diesen auch auf längeren Fahrten einsetzen sieht es schon anders aus. Mit kleinem Akku geht meist auch nur eine geringe Ladeleistung einher. Heißt man steht deutlich länger an den Ladepunkten um 200km nachzutanken.
2021-02-25T16:25:26Z
Donnerstag, 25.02.2021 um 17:25 Uhr
KDriverGT:
Gut - wenn man das E-Auto nur als Zweitwagen für Kurzstrecken zur Arbeit oder Einkauf nutzt gehen 200km Reichweite in Ordnung. Für weitere Fahrten kann dann ja noch der Verbrenner genutzt werden. Hat man allerdings nur 1 E-Auto und muss diesen auch auf längeren Fahrten einsetzen sieht es schon anders aus. Mit kleinem Akku geht meist auch nur eine geringe Ladeleistung einher. Heißt man steht deutlich länger an den Ladepunkten um 200km nachzutanken.

Aber zum Einkaufen und zur Arbeit reicht auch ein Elektroauto mit einem Akku unter 20 kWh, häufig sogar ein Plug-in-Hybrid. Es kommt also sehr auf das Fahrprofil an. Und ein E-Auto mit kleinerem Akku kostet meist auch weniger und man kann sich für die langen Strecken (Urlaub) etwas Passendes leihen.

Andersherum fährt man aber wertvolle Rohstoffe und graue Energie nutzlos durch die Gegend und kann den CO2-Fußabdruck der Produktion nie reinholen. Der Umwelt wäre damit sogar geschadet und nicht geholfen.
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