Norwegen – die Batterie Europas
#nutzermeinung
Lange geplant, lange gebaut, intensiv getestet und jetzt in Betrieb: Das neue NordLink-Verbindungskabel zwischen Norwegen und Deutschland ist ein großer Schritt in die Energiezukunft Europas. Das „grüne Kabel“ – so die Betreiber – dient dem Austausch von Windstrom aus Deutschland und Wasserstrom aus Norwegen. So will man Dunkelflauten überbrücken und erneuerbare Energie stabil und bezahlbar zur Verfügung stellen.
Was Sie in diesem Beitrag erwartet:
Überblick über das Projekt „NordLink“
Welchen Bedeutung das Projekt für die Energiewende hat
Das muss ein schwerer Tag sein für alle, die immer noch der Meinung sind, die Energiewende müsse scheitern und spätestens mit dem Abschalten der Atom- und Kohlekraftwerke würde es für alle sicht- und spürbar: teurer Strom, kalte Wohnungen, Blackouts, wenn Deutschland sich weiter von atomaren und fossilen Energiequellen verabschiedet.
NordLink – der Name ist Programm – verbindet Deutschland mit Norwegen über ein 623 km langes Hochspannungs-Gleichstromkabel. Es dient dem Austausch und der Speicherung von erneuerbarer Energie: einerseits Strom aus Windkraftanlagen, der in Deutschland erzeugt wird, hier aber nicht sofort verbraucht werden kann, und Strom aus norwegischen Wasserkraftwerken und damit dem Stromaustausch beider Länder.
Abb: Kabelverlauf über 623 km durch die Nordsee von Norwegen nach Deutschland
Stromautobahn mit 1.400 Megawatt
Das Kabel hat es in sich, im wortwörtlichen Sinne. Denn NordLink ist nicht nur eins der längsten Verbindungskabel, das je zwischen zwei Ländern gebaut wurde, es transportiert auch gewaltige Mengen an Strom. Rund 3,5 Millionen Haushalte in Deutschland können kostengünstig, effizient und zuverlässiger mit grünem Strom versorgt werden – dies entspricht der Menge an Strom aus 466 Windkraftanlagen mit jeweils 3 Megawatt Leistung. In Summe 1.400 Megawatt Leistung können eingespeichert, aber auch jederzeit abgerufen werden und das sekundenschnell. Somit eignet sich die Stromautobahn nicht nur zur Versorgung von Industrie und Haushalten, wenn mal in Deutschland kein Wind weht oder keine Sonne vom Himmel lacht, sondern auch zum blitzschnellen Ausgleich von Leistungsschwankungen – und das alles mit grünem Strom und ganz ohne Kohle, Gas oder Uran.
Und noch etwas ist besonders an diesem Kabel: Im Gegensatz zu den Stromleitungen im Haus oder über Land, arbeitet NordLink mit Gleichstrom, denn diese Art der Stromübertragung ist besonders für die „Langstrecke“ geeignet. Bei Büsum trifft das Kabel an Land und wird dann 54 km unterirdisch bis zum Umspannwerk bei Wilster in Schleswig-Holstein geführt.
Abb: In der Nähe von Büsum trifft das Gleichstromkabel auf Land (Foto: Tennet)
Speicherbecken voller Wasser
Gegner der Energiewende werfen den erneuerbaren Energien immer wieder vor, diese erzeugten doch nur „Zappelstrom“, auf den man sich nicht verlassen kann und somit seien diese zur verlässlichen Versorgung eines Industrielandes nicht geeignet. Abgesehen davon, dass sich Wind und Sonne heute sehr gut vorhersagen lassen und sich diese beiden Energiequellen auf ganz natürlich Weise gut ergänzen, stehen auch noch andere erneuerbare Energiequellen zur Verfügung, z.B. Wasserkraft und Biomasse – beides von Hause aus „grundlastfähig“. Dennoch ist klar, dass zusätzliche, gewaltige Energiespeicher benötigt werden, um eine Versorgung aus 100 Prozent erneuerbaren Quellen an 365 Tagen im Jahr ohne Unterbrechung zu realisieren. Mit Energiespeichern sind nicht nur reine Stromspeicher, sondern auch andere Formen der Speicherung von Energie gemeint, z.B. Langzeitwärmespeicher oder synthetisch hergestelltes Gas, aus dem wiederum Wärme und Strom gewonnen werden können.
Einen weiteren Langzeitspeicher stellen Pumpspeicherwerke dar. Hier werden riesige Mengen Wasser in gewaltigen Stauseen „gespeichert“ und können in Kombination mit Generatoren enorme Mengen Strom erzeugen und das sekundenschnell. Während in Deutschland Pumpspeicherkraftwerke überwiegend zur Netzstabilisierung genutzt werden, stehen in Norwegen so gewaltige Speicherbecken zur Verfügung, u.a. begünstigt durch die Topographie, dass damit auch eine Langzeitversorgung möglich ist. Und genau hier setzt das Projekt NordLink an, denn auf diese Weise lassen sich gewaltige Mengen an Strom speichern, z.B. vom windigen Herbst in den eher windstillen Winter hinein, und abrufen, wenn diese benötigt werden.
Abb: Erdverlegung über 54 km von der Nordsee bis nach Wilster. (Foto: Tennet)
Der Missing Link
NordLink stellt also einen zentralen Baustein der Energiewende dar, den viele immer und immer wieder als „Missing Link“ darstellen: die Langzeitspeicherung von Strom aus erneuerbaren Quellen. Und das kostengünstig, effizient und verlässlich. Mit seiner elektrischen Leistung von 1.400 Megawatt ersetzt das Projekt etwas mehr als ein Großkraftwerk und stemmt damit zwar nicht alleine die Energiewende, es ist aber auch viel mehr als ein „proof of concept“ – also mehr als nur ein weiteres Leuchtturmprojekt, denn die gesicherte Versorgung mehrerer Millionen Haushalte in Deutschland mit gespeichertem Windstrom ist Energiewende im Alltag. Eventuell kommt ja gerade jetzt die von mir hier beim Tippen benötigte Energie genau aus Norwegen, denn noch ist die Sonne nicht aufgegangen und es weht draußen kaum Wind, hier in Nordostdeutschland.
Und mit diesem Strom läuft jetzt eventuell gerade, wir haben draußen -1,1 Grad, unsere Wärmepumpe und lädt das Elektroauto, das hier neben meinem Fenster auf unserem Stellplatz steht und das ich in diesem Moment, in dem ich diese Zeilen schreibe, noch etwas nachlade, da ich in einer halben Stunde losfahren werde. Ein Blick auf die Webseite der beteiligten Statnet zeigt, dass Norwegen aktuell Strom über das NordLink-Kabel nach Deutschland liefert…faszinierend.
Abb: Im Umspannwerk Wilster wird Nordlink mit dem deutschen Stromnetz verknüpft (Foto: Tennet)
Auch wenn manche Kräfte, landauf – landab, nicht müde werden, die Energiewende schlecht zu reden, vor dem Blackout warnen und überbordende Kosten an die Wand malen: die Energiewende ist längst im Gange, sie ist Realität und mit Projekten wie NordLink ist sie nun noch viel realer geworden, denn es zeigt, dass es geht, wenn wir alle nur wollen und mitmachen. Und Mitmachen kann so gut wie jeder. Mit einer eigenen Solarstromanlage auf dem Balkon oder dem Dach, mit dem effizienten Umgang mit Energie, mit einem Ökostromvertrag oder einer Beteiligung an Bürgerprojekten in der eigenen Region.
Es geht. Und das ist gut so.