Hybrid oder nicht Hybrid – das ist hier die Frage
#nutzermeinung
Frei nach Shakespeare möchte ich der Frage nachgehen und die Diskussion anstoßen, ob der Kauf eines hybrid angetriebenen Pkw heute (noch) Sinn ergibt. Ist das wirklich die Kombination aus dem „Besten aus zwei Welten“ oder doch schon ein totes Pferd, das man nicht mehr reiten sollte?
Anforderungen an Pkw steigen und steigen
Die aktuellen (Euro 6d-Norm) und kommenden (Euro 7-Norm) Anforderungen an die Automobilindustrie, die Emissionen der Fahrzeuge immer weiter abzusenken, sind unmissverständlich und unausweichlich. Noch immer trägt der individuelle Verkehr mit Pkw prozentual am meisten zu den CO2-Emissionen im Verkehrsbereich bei. Noch immer fluten Millionen Fahrzeuge morgens und abends die Straßen und belasten die Luft mit Abgasen. Was viele nicht wissen: Allein jeder Kaltstart eines Verbrennungsmotors erzeugt - trotz Katalysator, Feinstaubfilter oder sonstiger Maßnahmen – innerhalb kürzester Zeit so viele Schadstoffe, wie eine Fahrt mit aktiver Abgasreinigung über 1.000 km! Und das direkt vor unser allen Nasen. Um die CO2-, Schadstoff- und Feinstaub- Emissionen weiter zu reduzieren, kommen die Hersteller nicht mehr um die Elektrifizierung der Fahrzeuge herum.
Hinzu kommt: Ab 2021 werden fossile Kraftstoffe im Zuge der CO2-Bepreisung teurer – Strom dagegen soll billiger werden. Aber ist die Elektromobilität schon so weit? Oder sollte man doch (noch) auf einen Hybriden setzen? Viele Verbraucher*innen sind verunsichert.
Mild-, Voll- und Plug-In-Hybrid
Ein hybrid angetriebenes Fahrzeug besitzt ein zweites Antriebssystem, das mindestens aus den Komponenten Elektromotor, Batterie, Steuergerät und Ladegerät besteht. Je nach Hersteller und Modell sind diese Komponenten unterschiedlich ausgelegt und können auf unterschiedliche Art und Weise mit dem Verbrennungsmotor zusammenarbeiten. Der Strom wird bei den Hybriden (HEV), z.B. VW Golf eTSFI, Hyundai Kona hybrid oder Ford Focus hybrid, bei jedem Bremsvorgang erzeugt – dabei wird die Bewegungsenergie in Strom gewandelt, in der Batterie gespeichert und beim Beschleunigen wieder abgerufen. Einige Modelle können zusätzlich über den Verbrennungsmotor Strom erzeugen (Generatorbetrieb). Unterschieden werden Mild- und Voll-Hybride. Während Mild-Hybride nicht ausschließlich elektrisch fahren können, hat beim Voll-Hybrid der E-Motor eine Verbindung zur Antriebsachse.
Noch relativ neu sind so genannte Plug-In-Hybride (PHEV), deren Batterie man zuhause an der Wallbox oder an öffentlichen Ladesäulen aufladen kann. Das geschieht meist mit einem Typ 2-Stecker. Das Modell-Angebot wächst derzeit rasant, ebenso wie deren Verkaufszahlen, nicht zuletzt durch die Kaufprämien, die es für einfache Hybride nicht gibt.
Abb: Volvo XC 60 Plug-in-Hybrid mit Steckerklappe links vorn (Foto: Dirk Kunde)
Wie sieht die Praxis aus?
Fährt man einen Hybriden ohne Lademöglichkeit, ändert sich im Alltag nichts. Der reale Kraftstoffverbrauch liegt zwischen vier und fünf Litern auf 100 km. Die Abhängigkeit von der Tankstelle bleibt, steigenden Spritkosten oder Fahrverboten in Innenstädten kann man nicht entgehen. Angesichts der Umweltanforderungen ist der Wiederverkaufswert schlecht kalkulierbar.
Mein Tipp: Ich rate von einem Neufahrzeug ab und sehe nur einen gebrauchten Hybriden als Option. Die Verbräuche sind niedrig und es muss kein Neuwagen produziert werden, was alleine vier bis sechs Tonnen CO2 einspart. Wer bereits einen Hybriden fährt, sollte diesen so lange als möglich weiter nutzen.
Wer sich für einen Plug-In-Hybriden entscheidet, sollte vorab prüfen, ob das Fahrzeug regelmäßig geladen werden kann. Mieter und Wohnungseigentümer mit Stellplatz können vom Vermieter bzw. von der Verwaltung ab dem 1.12.2020 die Einrichtung einer Lademöglichkeit verlangen. Denn nur, wer seinen Plug-In-Hybriden regelmäßig lädt, leistet einen größeren Beitrag zur Luftreinhaltung und zum Klimaschutz im Vergleich zum Hybriden ohne Lademöglichkeit. Auch wenn die rein elektrische Reichweite beschränkt ist, können doch viele Kilometer emissionsfrei zurückgelegt werden und als Nutzer*in genießt man das faszinierende Gefühl des elektrischen Fahrens.
Fazit: Nicht der Hybrid ist gut oder schlecht, sondern das, was die Nutzer daraus machen. Während beim Hybrid-Pkw der Beitrag zum Klimaschutz beschränkt ist und die Abhängigkeit vom Öl bestehen bleibt, kann ein Plug-In-Hybrid theoretisch zu 100 Prozent emissionsfrei betrieben werden. Aktuelle Untersuchungen zeigen aber, dass der Anteil der elektrischen Fahrten noch unter 50 Prozent liegt; mit anderen Worten, das Potential wird nicht ausgenutzt. Jede Besitzer/in eines PHEV kann durch das eigene Verhalten dazu beitragen, möglichst selten zu tanken und so oft als möglich zu laden.