Horrorszenario Urlaubsrückkehr: Wenn das Elektroauto seinen Strom verliert
#nutzermeinung
"Jeder Stromspeicher hat ein kleines Loch: Auch das Elektroauto verliert ständig Energie, selbst im Stand. Wenigfahrer sollten sich darauf einstellen." So titeln einige Medien und beschrieben ein vermeintliches Horrorszenario für Elektroautofahrer. Man kommt am Flughafen aus dem Urlaub zurück und möchte mit dem Auto nach Hause fahren. Doch nix geht mehr. Die Batterie ist leer, der Motor startet nicht.
Sensible Starter-Batterie
Dass solche Berichte häufig mangelhaft recherchiert sind, dürfte kaum überraschen. Wo Unterschiede zwischen Selbstentladung und Vampirverlusten liegen und warum sich Elektroautofahrer darum weniger Gedanken machen müssen als jene mit konventionellen Verbrennungsmotor, gehen wir mal kurz durch:
Jeder hatte es schon oder kennt jemanden, der das Problem einer entladenen Starter-Batterie erleben durfte. Was bei den 12 Volt Batterien aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung gern vorkam, ist für die großen Lithium-Ionen-Fahrakkus kein Thema.
Auch Lithium-Ionen Akkus möchten gepflegt werden. Nicht jedoch so intensiv wie die herkömmlichen 12 Volt Batterien. Denn diese mögen es nicht, wenn ihre Ladung unter 40 Prozent abfällt oder auf über 80 Prozent ansteigt. Damit ist deren Aktionsbereich insbesondere bei Kälte stark eingeschränkt. Wie ausgerechnet ein Elektroauto dieses Problem lösen kann, dazu komme ich später noch.
Selbstentladung vs. Vampirverluste
Oft in einem Atemzug genannt, werden die Begriffe Selbstentladung und Vampirverluste. Doch die Begriffe haben nichts miteinander zu tun.
Moderne Fahrzeuge werden mit vielen Annehmlichkeiten und Spielereien ausgeliefert. Sie unterhalten eine Online-Verbindung, so dass Apps beispielsweise den Standort des Fahrzeugs anzeigen, es Klimatisieren, Licht einschalten, hupen (ja das geht bei einigen, wenn der Nachbar mal wieder zu nah am eigenen Fahrzeug ist) Alarm fernsteuern und viele andere Dinge machen kann. Doch all diese Funktionen benötigen Strom. Befindet sich ein Fahrzeug im Ruhezustand, gibt es einige Hersteller deren Apps dennoch in regelmäßigen Abständen die GPS-Position des Fahrzeugs aktualisieren wollen. Diese Komfortfunktionen führen zu den sogenannten Vampirverlusten. Die Akkus saugen sich leer ohne eigenes Zutun des Nutzers, aber durch einen unbekannten Verbraucher von außen (dem Vampir).
Elektroauto offline schalten
Diese Verluste lassen sich durch den Nutzer vermeiden, indem er sein Fahrzeug offline schaltet. Steht das Fahrzeug über einen längeren Zeitraum, sollte es nicht ständig seinen Standort teilen oder die App nach einem aktuellen Klimatisierungsplan fragen. Am meisten Energie verbraucht dabei beispielsweise ein Tesla im Wächter-Modus. Das Fahrzeug zeichnet alle Aktivitäten auf, sobald sich jemand auf einen halben Meter nähert. Der Wächter-Modus ist durch den Fahrer zu aktivieren und man wird dabei auf den erhöhten Energieverbrauch hingewiesen. So lange man sein Fahrzeug in einem bewachten Parkhaus abstellt – und nicht in einer zwielichtigen Gasse – kann man auf diesen Modus während des Urlaubs verzichten.
Abb: Die Fahrbatterie des Ioniqs hat sich bis auf 1 Prozent entleert
Selbstentladung ist bei E-Autos ganz normal
Selbstentladung ist hingegen ein gänzlich anderes Thema und physikalisch begründet. Der Grad der Selbstentladung hängt stark von der Chemie in den Batteriezellen beziehungsweise des Akkus ab. Bei den derzeit üblichen Elektroautos werden Lithium Ionen Akkus verbaut
Da der Ladezustand einer Zelle mit der Spannung der Zelle korreliert, lässt sich die Selbstentladung einer Zelle in (Milli-)Volt pro Tag ausdrücken. Das „Milli“ deutet bereits an, dass die Selbstentladung im Vergleich zur Spannung einer Zelle (bspw. Lithium-Ionen bis zu 4,2 Volt) recht gering ist. Man muss jedoch berücksichtigen, dass die Spannung nichts über den tatsächlichen Energieverlust aussagt, sondern immer im Kontext mit der Zellkapazität betrachtet werden muss. Beispielsweise 10 mV Selbstentladung bei einer Zelle mit 20 Ah Kapazität bedeuten weniger Energieverlust als bei einer Zelle mit 50 Ah Kapazität.
Zurück aber zum Thema. Wie bereits beschrieben, entladen sich alle Stromspeicher ganz natürlich von selbst. Die Selbstentladung bei modernen Lithium-Ionen-Zellen ist allerdings sehr gering. Je nach Literatur werden hier Werte zwischen ein und zwei Prozent des Ladezustands pro Monat genannt. Eine vollgeladene Zelle wäre also erst nach vier bis acht Jahren tiefentladen.
Keine Panik bei längeren Standzeiten
Heißt das jetzt, dass der Akku meines Elektroautos kann nach dem Urlaub komplett leer sein könnte? Wenn Sie einen Tesla besitzen, den Wächter-Modus aktivieren, regelmäßig den GPS Standort abrufen und das Fahrzeug fast leer abgestellt haben, dann ja.
Es empfiehlt sich daher, das Fahrzeug auf einen Ladezustand zwischen 60 und 80 Prozent aufzuladen, bevor man es für eine längere Zeit abstellt. Die Online-Dienste saugen zwar etwas Energie, sind aber im normalen Gebrauch absolut überschaubar. Den Wächter-Modus von Tesla sollte man vielleicht nur aktivieren, wenn das Fahrzeug in einer einsamen Gegend steht.
Auch ein Punkt, der mit zu Vampirverlusten gezählt werden kann, ist gleichzeitig ein Vorteil von Elektrofahrzeugen gegenüber Verbrennern. Denn Elektroautos verfügen über ein vollautomatisches Kontrollsystem für die Batterie, das Batterie Management System, kurz BMS. Es überwacht permanent die Spannung der einzelnen Zellen und lädt bei Bedarf auch im Stand die 12-Volt Batterie eigenständig nach. Das kostet natürlich Energie aus dem Fahrakku, machte aber bei einem Selbstversuch mit meinem Hyundai Ioniq Electric (Baujahr:2017) nach vier Wochen Standzeit nicht einmal ein Prozent aus – gerade zwei Kilometer Reichweitenverlust. Absolut vernachlässigbar.