Deutschlandnetz: Der Staat gibt Strom

03.04.2022

#nutzermeinung

Wie viele öffentliche Ladesäulen benötigen wir, damit Elektromobilität im Massenmarkt funktioniert? Das ist die Eine-Million-Euro-Preisfrage. Immer wieder ist die Rede von einer Million Ladepunkten. Doch der Markt entwickelt sich extrem dynamisch. Neuere E-Autos verfügen über größere Reichweiten und laden schneller. Sie müssen seltener laden und stehen kürzer an einer öffentlichen Ladesäule. Wie viele Menschen können daheim oder beim Arbeitgeber laden? Die Berechnung der richtigen Zahl ist keine einfache Aufgabe.


Eigentlich ist der Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur Sache der Stromversorger. Regionale Stadtwerke haben sich im Ladenetz zusammengeschlossen. Nationale Anbieter wie E.ON bauen eigene Ladestationen auf. Die Autoindustrie engagiert sich mit Ionity und es gibt reine Ladesäulenbetreiber wie Fastned und Allego. Auch Tankstellenketten wie Aral und Shell bieten vermehrt Ladepunkte an. Ende 2021 gab es laut Bundesnetzagentur 50.900 öffentliche Ladepunkte in Deutschland. Allerdings fielen nur sechs Prozent (2.936) in die Kategorie HPC. Das steht für High Power Charging und beschreibt schnelles Laden mit mindestens 150 Kilowatt Ladeleistung. Wie es aktuell in Ihrer Stadt oder Landkreis mit Ladepunkten aussieht, zeigt der E.ON Energieatlas.


Subventionen für acht Jahre

Der Bundesregierung geht der Aufbau zu langsam. Sie hat sich für die Finanzierung des Deutschlandnetzes entschieden. An 1.000 Standorten entlang der Autobahnen aber auch im städtischen Raum sollen Schnellladestationen mit mindestens 200 Kilowatt Ladeleistung entstehen. Insgesamt sind deutschlandweit 10.000 Ladepunkte (Jede Ladesäule hat meist zwei Ladepunkte) vorgesehen. Spätestens nach 30 km Fahrt sollen E-Autofahrer eine HPC-Ladesäule passieren.

Dabei zahlt der Staat acht Jahre lang für Aufbau und Betrieb der Standorte. Insgesamt sind im Bundeshaushalt zwei Milliarden Euro für das Deutschlandnetz vorgesehen. Für die Subvention verlangt der Bund das Recht, eine Preisobergrenze festlegen zu dürfen. Die liegt aktuell bei 0,44 Euro pro Kilowattstunde und darf nach unten bis zu 6 Cent abweichen. “Es gibt einen atmenden Preisrahmen, der etwa bei steigenden oder regional unterschiedlichen Einkaufspreisen für den Strom durchaus Spielraum lässt”, sagt Johannes Pallasch, Sprecher des Leitungsteam der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur. Mit Blick auf die aktuellen Preissteigerungen an Schnellladesäulen wirken die festgelegten 0,44 Euro geradezu günstig. 


Deutschlandnetz

Standort-Karte bisheriger Ladepunkte entlang der Autobahnen


Generell hegen Ladesäulenbetreiber die Befürchtung, dass subventionierte Standorte bereits existierenden Ladeparks preislich Konkurrenz machen. Liegen beide zu dicht beieinander, wählt der Kunde mit Sicherheit den günstigeren Standort. Die bisherige Investition wäre verloren. Die Leitstelle betont, dass bei der Standortauswahl derartige Konkurrenzlagen berücksichtigt worden seien. In unmittelbarer Nähe eines bestehenden Schnelllade-Parks soll nur dann ein Deutschlandnetz-Standort entstehen, wenn die prognostizierte Nachfrage eine Auslastung beider Anlagen ermöglicht.


Darf es eine Limo geben?

Die erste Ausschreibung ist im Oktober 2021 mit 23 Regionallosen in sechs Regionen gestartet. Über 400 Anträge gingen dafür bei der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur ein. Im Dezember 2021 folgte die zweite Teilausschreibung durch die Autobahn GmbH. Hier geht es um Ladesäulen auf bislang unbewirtschafteten Rastplätzen. Das sind Parkplätze an Autobahnen, die höchsten über ein Toilettenhaus und ein paar Sitzgelegenheiten verfügen. Sehr zum Unmut der Bewerber darf hier kein gastronomisches Angebot zusammen mit den Ladesäulen entstehen. Weder ein Kaffee- noch ein Getränkeautomat sind gestattet. Die Erklärung dafür ist einfach: Für über 90 Prozent der Rastplätze in Deutschland hält das Unternehmen Tank & Rast die Konzession. Nur sie dürften Shops und Gastronomie betreiben. Man möchte keine zusätzliche Konkurrenz. Doch die Ladepause ist extrem unattraktiv, wenn man sich nicht mal ein Getränk oder Snack holen kann. Die Ausschreibungsregel erstaunt, denn eine hohe “Aufenthaltsqualität” wird an den übrigen Standorten abseits der Autobahn explizit in den Ausschreibungsunterlagen gefordert. Dort sollen die Ladesäulenbetreiber für Gastronomie, Shops und Toiletten sorgen. 


Lange Warteschlangen zu Beginn der Sommerferien an Autobahn-Ladestationen würden der Attraktivität eines E-Autos schaden. Die aktuelle Ampel-Koalition hat ehrgeizige Pläne: Bereits in acht Jahren sollen 15 Millionen E-Autos in Deutschland zugelassen sein. Aktuell sind es 670.000 (aufgerundet). Da muss die Ladeinfrastruktur entsprechend mitwachsen, eventuell sogar in Vorleistung gehen. Nur dann werden Autofahrer sich beim nächsten Fahrzeug beruhigt für eine  batterieelektrische Version entscheiden.

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