Darum weicht der WLTP-Wert von der Realität ab
Verbrauchswerte in Form der WLTP-Angaben gelten als unrealistisch. Wir erklären, wie Hersteller ihre Fahrzeuge testen. Wenn man sich Reichweiten von E-Autos anschaut und unterschiedliche Modelle vergleicht, ist die WLTP-Angabe der entscheidende Wert. Das Akronym steht für Worldwide harmonized light vehicles test procedure. Es sind also die global harmonisierten Testregeln für alle Pkw – egal mit welcher Antriebstechnik.
Oft hört man die Kritik, dass der WLTP-Wert nichts mit der (Fahr-)Realität zu tun habe. Das mag stimmen, doch da die Regeln für alle Hersteller gelten, kann man unterschiedliche Modelle gut miteinander vergleichen. In diesem Artikel geht es darum, warum die Realität auf der Straße in Sachen Verbrauch vom WLTP-Wert abweicht. Das fängt bereits damit an, dass der Test nicht auf der öffentlichen Straße, sondern auf einem Rollenprüfstand stattfindet.
Alle Varianten werden getestet
Der WLTP-Testzyklus gilt seit Herbst 2018 und ersetzt den bisherigen Standard NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus). Wurde früher nur eine Version einer Auto-Modellreihe getestet. Nun müssen alle Modellvarianten mit ihren unterschiedlichen Karosserieformen (SUV, Coupé) und Getriebekombinationen (rein elektrisch, Plug-in-Hybrid, Verbrenner) auf den Prüfstand. Neben dem Verbrauch, wird auch der CO2-Aussstoß getestet. Das gilt natürlich nur für Autos mit Verbrennungsmotor. Für die so genannten Real Driving Emissions (RDE) müssen die Autos raus auf die Straße. Das geht nicht mehr auf dem Prüfstand. Insgesamt sind die WLTP-Vorgaben für die Hersteller ein wichtiger Test und Voraussetzung für die Typengenehmigung des Fahrzeugs.
Reichweitenanzeige im Genesis G80 Electrified
So läuft der WLTP-Test
Der WLTP-Test umfasst folgende Vorgaben:
· Fahrtdauer: 30 Minuten
· Prüfphasen: Stadtverkehr und Autobahn, Land- und Schnellstraße
· Strecke: 23,25 km
· Prüftemperatur: 23 sowie 14 Grad Celsius
· Geschwindigkeit: durchschnittlich 46,5 km/h, max. 131 km/h
· Standzeit-Anteil (Ampeln, Stopp & Go): 13 Prozent
Aus den unterschiedlichen Prüfphasen resultieren unterschiedliche Verbrauchs-Werte. Den einen Wert, den man in den Borschüren oder auf Webseiten der Hersteller findet, ist ein kombinierter Wert aus den vier Phasen. Sehr häufig liest man auch eine Spannbreite des Verbrauchs "von - bis" kWh auf 100 Kilometer.
Zusätzliche Verbraucher
Natürlich haben diese 30 Minuten Test wenig mit der Realität zu tun. Die Phase auf der Autobahn macht im Test etwas mehr als fünf Minuten der 30 Minuten aus. Im echten (Autofahrer-)Leben wird ein Fenster oder das Schiebedach geöffnet, was den Luftwiderstand erhöht. Es laufen je nach Jahreszeit Klimaanlage oder Heizung. Eventuell wurde der Wagen bereits vor der Abfahrt vorgeheizt – eine Funktion die inzwischen Standard bei den meisten E-Autos ist. Es läuft Musik, werden Smartphones über USB-Anschlüsse geladen und auch Sitzheizung oder Massagesitze benötigen Energie, die in keinem Test erfasst werden.
Reichweitenanzeige im Polestar 2
Fahren auf der Autobahn
Die meiste Energie dürfte allerdings für das schnellere Fahren benötigt werden. Auf Autobahnabschnitten werden viele Fahrer schneller als 130 km/h fahren. Da hilft es, sich noch mal an den Physik-Unterricht in der Schule zu erinnern: Der Zusammenhang zwischen Arbeit und Geschwindigkeit ist quadratisch. Mit Arbeit ist das Produkt aus Kraft mal Weg gemeint. Die Kraft ist der Energiebedarf, um das Auto voranzubringen. Verdoppelt sich die Geschwindigkeit, ist dafür vier Mal so viel Energie notwendig, um den Luftwiderstand zu überwinden.
Bleibt nur ein kleiner Trost beim WLTP-Wert: Die Ladeverluste an Normal- und Schnellladesäulen haben die Hersteller bereits einkalkuliert.