Batteriezeugnis für den E-Gebrauchtwagenmarkt
#nutzermeinung
Was ist ein fairer Preis für ein gebrauchtes E-Auto? Die Frage ist unheimlich schwer zu beantworten. Klar, man kann auf die Kilometerzahl schauen. Man sieht, ob der Wagen gepflegt ist – außen Dellen hat und innen die Bezüge in Ordnung sind. Aber ins wichtigste Bauteil eines E-Autos kann man nicht schauen. Die Batterie bleibt einem verschlossen!
Zeugnis aus neutraler Hand
Bislang gibt es in keinem mir bekannten Modell einen zuverlässigen Menüpunkt, der darüber Auskunft gibt, wie viel Speicherkapazität noch in der Batterie vorhanden ist? Wie viele Ladezyklen die Batterie durchlaufen hat? Wurde mehr an Schnellladern oder an der heimischen Wallbox geladen?
Das macht es für Verkäufer aber auch Käufer unendlich schwer, einen guten Preis für ein gebrauchtes E-Auto zu finden bzw. zu beurteilen. Damit sich dieser Markt entwickeln kann, benötigt man aus neutraler Hand ein Batteriezeugnis. Das gibt Auskunft darüber, wie viel Energie die Zellen noch speichern können und wie viele Kilometer damit im Alltag noch möglich sind. Eben den SoH, also den State of Health des Energiespeichers. Die gute Nachricht: Es gibt ein solches Zeugnis oder besser Zertifikat. Man kann es über den ADAC, TÜV Süd, die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) und die GTÜ, der Gesellschaft für technische Überwachung mbH sowie etliche freiberufliche Kfz-Sachverständige und Prüfingenieur erwerben. Bei allen Anbietern steckt ein Testunternehmen dahinter, das in mehrjähriger Forschungsarbeit das Testverfahren entwickelt und verfeinert hat. Das Unternehmen heißt Aviloo und kommt aus Österreich.
Fahrt mit dem Testgerät
Das Testgerät kann auch per Post direkt bei Aviloo bestellen. Der Preis ist überall identisch: 99 Euro. Dafür erhält man ein handliches Testgerät, das per Kabel an die OBD2-Schnittstelle im Auto angeschlossen wird. OBD steht für On Board Diagnose. Den Anschluss nutzen der TÜV und Werkstätten zum Auslesen von Daten aus dem Fahrzeug. Man findet ihn meist unterhalb des Armaturenbretts auf der Fahrerseite. Aviloo bietet auf seiner Webseite Video-Anleitungen für die gängigen E-Autos. Ist das Testgerät angeschlossen, fährt man mit dem vollgeladenen E-Auto (wirklich auf 100 Prozent laden) runter bis 10 Prozent Ladezustand. Das muss man nicht in einer Fahrt erledigen, sondern hat dafür sieben Tage Zeit. Wichtig ist nur, dass in dieser Zeit nicht nachgeladen wird. Das Testgerät speichert die Daten. „Wir messen während der Fahrt die Veränderungen bei Temperatur und Spannung in den einzelnen Zellen. Inzwischen haben wir Daten von über 10.000 Fahrzeugen in unserem System. Natürlich fließen auch die Vergleichswerte identischer Modelle in die Auswertung mit ein“, erklärt Nikolaus Meyerhofer, Co-Gründer und Geschäftsführer von Aviloo.
Nur eine Momentaufnahme
Zwei Werktage nach Rückgabe des Testgeräts hat man das Batteriezertifikat in seiner Inbox. Die Prozentangabe als auch die Reichweite in Kilometern beziehen sich auf die WLTP-Angabe des Fahrzeugs. In meinem Fall habe ich noch 539 km Reichweite, was einen Kilometer unterhalb des WLTP-Wertes meines Herstellers liegt. Somit steht auf meinem Zertifikat 100 Prozent. Es sei erwähnt, dass mein Wagen erst seit acht Monaten in Benutzung ist. Von der nutzbaren Speicherkapazität von 75 kWh stehen mir 74,9 kWh zur Verfügung. Das ist also ein hervorragendes Ergebnis, sollte aber bei einem neuen E-Auto auch nicht überraschen. Natürlich ist der Batterietest für ältere Fahrzeuge gedacht. Das Batteriezertifikat ist dabei eine Momentaufnahme. Als Verhandlungsgrundlage für einen Autoverkauf in 12 Monaten taugt es wenig. Wer als Käufer ein Batteriezertifikat vorgelegt bekommt, sollte darauf achten, dass es jüngeren Datums ist.